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Gesundheitsregionplus Landkreis Kelheim (Franziska Häffner)
Hintergrund
Bereits im Rahmen der ersten konstituierenden Sitzung des Gesundheitsforums 2022 wurde das Versorgungsdefizit im Fachbereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie mehrfach als drängendstes Thema benannt und in der Folge in einer eigens eingerichteten Arbeitsgruppe mit höchster Priorität bearbeitet. Die zentrale Herausforderung stellte dabei die Zuordnung des Landkreises zur Raumordnungsregion Regensburg dar: Bei der Auswertung des Versorgungsatlas „Kinder- und Jugendpsychiater“ wird der Landkreis als „überversorgt“ ausgewiesen, obwohl kein Versorgungsangebot der entsprechenden Fachrichtung im Landkreis besteht. Die steigenden Fallzahlen und psychischen Belastungen junger Menschen machten dringenden Handlungsbedarf deutlich. Familien mit betroffenen Kindern und Jugendlichen müssen lange, nicht zumutbare Fahrtzeiten in Kauf nehmen und sind zudem aufgrund der unzureichenden Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr im Flächenlandkreis Kelheim auf ein eigenes Auto und die nötige zeitliche Flexibilität zum Transport ihrer minderjährigen Kinder angewiesen. Darüber hinaus berichten sowohl Betroffene als auch Fachstellen in Akutsituationen von sehr langen Wartezeiten, wodurch sich Beschwerden und Symptome verschlimmern und nicht selten chronifizieren.

Landrat Martin Neumeyer und Franziska Häffner besuchten Jeanne-Marie Berger, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, in ihrer Praxis im B.B.W. Abensberg, wo sie seit Beginn des Jahres tätig ist. © Franziska Häffner
Ziel
Ziel war es, eine kinder- und jugendpsychiatrische Praxis im Landkreis zu etablieren. Die Maßnahme richtet sich an Kinder, Jugendliche und deren Familien und zielt auf eine bessere ambulante Versorgung im Flächenlandkreis – besonders auch für Familien mit geringem Einkommen und eingeschränktem Zugang zum ÖPNV.
Der Weg zur Sonderbedarfszulassung
Im Rahmen eines Austauschs mit relevanten regionalen Akteuren, Experten und Entscheidungsträgern wurde der eingeschränkte Handlungsspielraum aufgrund der bundesweiten Vorgaben zur ärztlichen Bedarfsplanung deutlich. Die Facharztgruppe der Kinder- und Jugendpsychiater wird auf der Versorgungsebene der „Spezialisierten fachärztlichen Versorgung“ beplant und der Landkreis Kelheim der Raumordnungsregion Regensburg zugeordnet, die aufgrund der guten Versorgung in Stadt und Landkreis Regensburg für weitere Zulassungen gesperrt ist. Die Option der Sonderbedarfszulassung wurde somit in der Folge als einzig möglicher Weg zur Installation eines Versorgungsangebots identifiziert.
Durch den Ärztlichen Kreisverband Kelheim kam im weiteren Verlauf der Kontakt zu einer an einer Niederlassung interessierten Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie zustande, die familiäre Verbindungen zum Landkreis hat. Zur Untermauerung des Bedarfs wurden Unterstützerschreiben von zehn Einrichtungen und Institutionen aus dem Landkreis auf Basis konkreter Zahlen und Daten aufgesetzt und beim Zulassungsausschuss Ärzte Oberpfalz eingereicht. Trotz aller Bemühungen
wurde der Antrag auf Sonderbedarfszulassung abgelehnt, da u. a. die Bedarfsnotwendigkeit in der Befragung benachbarter Praxen abgelehnt wurde. Neben der Antragstellerin selbst, legte auch die KVB Widerspruch gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses ein, gleichzeitig wurde über Herrn Landrat Martin Neumeyer um Unterstützung durch Frau Staatsministerin Judith Gerlach gebeten. In der Sitzung des Berufungsausschusses für Ärzte Bayern wurde im Juni 2024 die Sonderbedarfszulassung erwirkt, sodass nach der Suche von Praxispersonal und Räumlichkeiten die Tätigkeit zum Beginn des Jahres 2025, knapp zwei Jahre nach dem Beginn des Prozesses, aufgenommen werden konnte.
Aufgaben der Geschäftsstellenleitung
Die Geschäftsstelle der Gesundheitsregionplus initiierte gemeinsam mit relevanten
Akteuren den Prozess zur Verbesserung der Versorgung, übernahm die Kontaktaufnahme zu allen einzubeziehenden Akteuren sowie deren Koordination, erarbeitete eine Datengrundlage zur Verdeutlichung des Bedarfs, moderierte die AG-Treffen und unterstützte die politische und verwaltungsseitige Entscheidungsfindung. Sie wirkte an der Entwicklung von Lösungsstrategien mit, übernahm die Abstimmung mit den einzelnen Einrichtungen und Trägern bei der Erstellung und Einreichung der
Unterstützerschreiben, stand im Kontakt mit der Antragstellerin und unterstützte bei
allen Angelegenheiten rund um den Zulassungsprozess. Zudem konnten in der Folge durch das Netzwerk Praxisräumlichkeiten im B.B.W. St. Franziskus Abensberg, einer Einrichtung für junge Menschen mit Behinderungen und Benachteiligungen, gefunden werden und eine Kooperation mit erstem Praxisstamm aufgebaut werden. Darüber hinaus war die Geschäftsstelle für die Dokumentation der Arbeitsprozesse und die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich.
Informationen zu den (erwarteten) Ergebnissen In den ersten Monaten zeigte sich bereits die hohe Inanspruchnahme der neuen Praxis – ein klarer Beleg für den Bedarf. Erste Rückmeldungen zeigen, dass Kinder und Jugendliche nun schneller Hilfe erhalten. Gleichzeitig wird deutlich, wie wichtig niederschwellige Angebote und ein funktionierendes Versorgungsnetzwerk sind – auch was die Versorgung mit Psychotherapeuten betrifft, die eine weitere Herausforderung darstellt.
Fazit und Ausblick
Die Etablierung der Praxis ist ein Meilenstein für die regionale Gesundheitsversorgung
und der Erfolg unterstreicht den Wert aktiver Netzwerkarbeit. Perspektivisch soll der Ausbau mit einem zweiten Standort in Kelheim fortgeführt werden. Zudem bleibt die
Weiterentwicklung von Präventions- und Unterstützungsangeboten ein zentrales Ziel.